Gen-ial


Abendzeitung vom 11. November

Wo sich Herr Geiz und Frau Gier treffen

Anarchisches Gelächter bei Josef Pretterers Figurenkabarett im Fraunhofer-Theater

Der Bua will einfach alles wissen. Zum Beispiel, wie die Babys in Mamas Bauch kommen. Zuerst erzählt Bauer Sepp seinem Enkel Pascal von Bienchen und Blümchen, doch dann spielt er „Kopfkino“, in dem Spermien mit einer eigenwilligen Eizelle über eine eventuelle gemeinsame Zukunft verhandeln.
Dieses Kopfkino ist das Figurenkabarett von Josef Pretterer – eine Erfindung des
60-jährigen Münchners, die in der Brettlszene einzigartig dasteht: Er spielt nicht nur mit Puppen, macht auch nicht einfach Kabarett, sondern zeigt eine erstaunliche Theaterform, bei der eine archaische Figurenwelt mit Kontakt in die seltsame Welt der Gegenwart tritt. Zu der gehören im aktuellen Programm „Gen-ial“ etwa ein Waffenhändler der Russen-Mafia oder genmanipulierter Mais der US-Industrie, und beides erscheint gleichermaßen kriminell.
Obwohl er für Entwicklung und Bau der oft menschengroßen Klappmaulfiguren mehr als ein Jahr Zeit benötig, ist ihm jetzt höchst Tagesfrisches gelungen:
Als wären sie für die aktuelle Weltwirtschaftskrise erfunden, treffen sich auf der Pretterschen Bühne der Geiz und die Gier und sind mehr als nur zwei wie einem apokalyptischen Gemälde entsprungene allegorische Gestalten. Trotz aller Dämonie muss sich niemand bei Pretterer vor zu viel Ernst fürchten.
Sein Humor ist so blühend wie seine Fantasie und reicht von der ironischen Anspielung bis zum anarchischen Gelächter.



Kritik Traunsteiner Tagblatt vom 25. Oktober 2010

Gene, Gier und Geiz – ein unschlagbares Trio?

Figurenkabarettist Josef Pretterer klärt auf… in der Traunsteiner Kulturfabrik NUTS

Der kleine Pascal ist die "Symbiose der Gene von schöner Mama und schlauem Professor". Dass die Sache mit den Genen aber nicht immer ganz so furchtbar einfach ist, erläuterte Pascals Opa Sepp Brandner alias Kabarettist Josef Pretterer '
auf tatsächlich höchst "geniale", hintersinnige und unterhaltsame Weise in der Kulturfabrik NUTS.
Ein schlaues Kerlchen ist der kleine Sohn der alleinerziehenden Lydia. Diese erdrückt den armen Buben mit stark ausgeprägtem Gluckentum und vor Besitzansprüchen strotzender Fürsorglichkeit, indem sie Pascal, der am liebsten einmal von Beruf "Power Ranger" werden würde, androht er würde entweder Professor oder Papst oder vielleicht sogar "Supp'n Star", auf jeden Fall aber würde sie für ihn kochen,
was den Opa zu den Befürchtungen führt, der arme Bub könnte einmal eine Muttervergiftung bekommen. Brrrrrr, ade Freiheit und selbstständiges Erwachsenwerden. Da verbringt Pascal seine Zeit schon lieber bei Opa Sepp, der stets geduldig auf alle Fragen eine passende Antwort und/oder Erklärung aus dem Ärmel zaubert.
Nur die Sache mit den Bienen und Blümchen leuchtet dem Kleinen überhaupt nicht ein. Denn "das" erklärt seiner Meinung nach noch lange nicht, wie nun der Samen dahin kommt, wo er hin soll. Wie stets, wenn Opa Brandner die richtigen Worte fehlen, greift er zu einer anschaulichen Methode, dem "Kopfkino", in dem er mit witzigen, bisweilen etwas skurrilen Figuren Rollenspiele spielt. In dem Fall bewerben sich bei Eizelle Lydia einige männliche Samenzellen, die teils ernüchtert wieder von dannen ziehen. Denn die Eidame möchte weder einen verknöcherten Erzkonservativen noch einen Proleten mit minderschwerem IQ und schon gar keinen überheblichen, aber zur Untreue neigenden Wicht. Pascal macht dabei eine wichtige Entdeckung: Da, wo die Gene drin sind, heißt deswegen auch Genitalien.

Opa Sepp ist froh, dass sein Enkel aus "natürlichen Genen" gezeugt wurde, erlebt er doch in seiner Landwirtschaft den alltäglichen Gen-Wahnsinn. Zum Beispiel eine gentechnisch veränderte Kartoffel, deren Verzehr vor Cholera schützen soll (tolle Sache – ist das der Sinn einer Kartoffel?) und Mais, der sich selbst kastriert und für dessen patentierte Verwendung man bis an sein Lebensende blechen muss. Überaus genial wären doch auch Züchtungen wie eine Weißwurschtbanane oder Familienbananen, die auch im Permafrost ohne Weiteres gedeihen, vermeintlich den Hunger in Afrika stillen, vorrangig aber die Taschen der Großkonzerne füllen würden. Womit wir zweifelsfrei bei einer weiteren Geißel der Menschheit angekommen wären: Geiz und Gier!
Josef Pretterer, der auch schon Figuren für Fernsehproduktionen wie "Sesamstraße" und "Die Sendung mit der Maus" entworfen hat, hat dem "Gaunerpärchen" anschaulich und authentisch unsympathische Gesichtszüge verpasst. Die "Gier" ist gezeichnet von einem alles verschlingenden großen Maul, der Geiz trägt zwei riesige Satanshörner. Der Geiz kauft weltweit Wasserrechte auf und "nur wer zahlt darf trinken". Der Gier ist es egal, dass bei Tiefseebohrungen "etwas Öl" daneben geht. Das Meer ist groß genug und im Geldsackerl kann nie genug drin sein. Beide zusammen wollen's halten wie Deutschlands Vorzeigebank, indem sie Gewinne optimiern und Betriebe kaputt sanieren. Pascal findet die Beiden "blöd" und der Opa hofft, dass sich der "Geiz vor Gier eines Tages an sich selbst verschlingen wird".
So geht es Schlag auf Schlag dahin und der kleine Pascal sieht eine Menge im Kopfkino seines Opas. Josef Pretterer durchquert die (Geschäfts)Welt der Gen(technologie) auf Siebenmeilenstiefeln, den Finger stets treffsicher und humorvoll auf den wunden Punkt gelegt.
Doch bei allen noch so skurrilen Gags und Figuren, die er aus dem Ärmel zaubert und die sowohl große Sympathie als auch das herzhafte Lachen der Zuschauer bescheren, darf man doch nicht vergessen, dass der "Pretterer" mit seinem hervorragend umgesetzten und tiefgründigem Kabarettprogramm auch ein ernstes Anliegen hat: Der Mensch soll und darf sich nicht dazu versteigen, aus grenzenloser Gier und skrupellosem Machtstreben Gott zu spielen.

Maria Ortner


Süddeutsche Zeitung vom Donnerstag, den 6. November 2008

Genial gruselig

Eigentlich freut sich der Brandner Sepp immer narrisch, wenn sein Kölner Enkel Pascal zu Besuch kommt. Diesmal jedoch hat der Bauer eine Mordswut, weil der Genmais des Nachbarn den eigenen Honig kontaminiert hat. Jetzt muss dieser auf den Sondermüll, und Pascal aufs Honigschlecken verzichten. Da hockt das Kind nun in seiner Krachledernen auf Opas Schoß und fragt ihn Löcher in den Bauch.
Wie Kinder entstehen will er wissen, oder warum die Menschen so grausam und gierig sind. Au weh zwick, denkt sich da der Sepp, und erzählt dem Kölschen Jung was vom Gaudistangerl, lässt eine Eizelle mit ein paar Spermien Befruchtungsgespräche führen und die Gier persönlich auftreten.
„Gen-ial“ heißt das neue Programm des Kabarettisten und Puppenspielers Josef Pretterer. Er spielt den Sepp, dann noch einen schwulen Kardinal. Alle anderen auf der Bühne des Theater im Fraunhofer sind überlebensgroße Figuren, ebenso charmant wie furchteinflößend. Pascal hat Glupschaugen und abstehende Ohren, die Gier zwei Münder mit gefährlich spitzen Zähnen, wallend grünes Haar und eine Habichtnase – sie könnte der Hölle eines Hieronymus Bosch entsprungen sein. Pretterer verleiht seinen Puppen Präsenz, schnell vergisst man, dass er sie für jeden sichtbar bewegt, dass er ihnen seine Stimme schenkt. Und mühelos wieder in die eigenen Rollen schlüpft, als Sepp grantelt, das Gesicht knautscht und über die Bühne buckelt; als schmieriger Organhändler „High-Tekke“ verhökert, etwa Füße mit integriertem GPS: „Da läufst du von alleine, nur im Kreisverkehr gibt’s Probleme.“ „Gen-ial“ ist albern, melancholisch, wüst und böse – der Titel liefert den roten Faden. Pretterer zürnt gegen die technologische Aufrüstung des Menschen, wütet gegen Pharma-Pflanzen und das Klonen. Seine gruseligste Figur ist ein Super-Killer-Kid mit Wasserkopf im Kampfanzug, das nur eines will: Töten, töten, töten.