Die ER-Schöpfung


Münchner Merkur Donnerstag, 13.02.2003

Sächsische Schöpfung
Kabarett mit Josef Pretterer im Frauenhofer

Was wir bisher noch nicht wussten: Erst schuf Gott die Krankheiten, und dann erst den Menschen. Denn was soll eine Kaulquappe mit einem Bandscheibenvorfall?
Der Mensch wurde zum Trägerobjekt von Leiden geboren, hatte dann den Umgang mit Drogen, sprich dem paradiesischen Stechapfel, nicht im Griff und später ein kurzes konjunkturelles Hoch als „Neander-Taler“.
Diese Geschichte, beginnend mit der Buchstaben-Ursuppe, erzählt jetzt im Theater
im Frauenhofer der Hausmeister des Universums höchstpersönlich. Der Hausmeister
ist das Multitalent Josef Pretterer, eine feste Größe im Frauenhofer. Pretterer erschafft sich seine Schöpfung selber, und er tut dies auf Sächsisch. Er ist ein sehr pragmatischer Schöpfungsgehilfe, der mit seinem kindischen Gott hadert.
Der Autor, Puppenspieler und Illustrator Pretterer stellt sich bei seinem neuen Programm "Er-Schöpfung" selbst in den Vordergrund. Und es dauert eine Weile, bis die Fangemeinde all die fabelhaften Puppen zu Gesicht bekommt, etwa die rheinische Oma, die so gern über Sex spricht, oder die zwei Schutzengel aus grund-
verschiedenen Milieus. "Er-Schöpfung" enthält viel Kabarettistisches, etwa ein paar Bush-Scherze und eine Brandrede über die sieche Mutter Natur im Einkaufswagen.
Doch zur Hochform läuft Pretterer auf, wenn er sich in aller Ruhe ausspinnt.
Bei seinen detaillierten Ausführungen über Bankertreffen im Neandertal oder den eierlegenden Urmenschen erinnert er durchaus an den seligen Komiker Heiko Jäger. Und seine absurde Wissenschaftlichkeit hat manchmak was vom großen Otto Grünmandl. "Er-Schöpfung" ist eine wunderliche-narrische Comedy-Revue, in der jeder seine Lieblinggestalt entdecken kann. Pretterer spielt noch bis zum 8. März im Theater im Frauenhofer.
Richard Oehmann
Abendzeitung Donnerstag, 13.02.2003



Löffeln in der Ursuppe

Josef Pretterers neues Puppentheater "Die Er-Schöpfung" im Frauenhofer

Ein zweistündiges Stück ganz alleine stemmen, ohne dabei in Endlos-Monologe zu verfallen? Josef Pretterer schleppt dazu Helfer aus Pappmaché auf die Bühne im Frauenhofer-Theater. Überlebensgroße buntbemalte Figuren, mit denen der "Hausmeister des Universums" die noch unbeantworteten Fragen der "Er-Schöpfung" klärt.
Los ging's mit einem riesigen Schöpflöffel. Krankheiten wie Mumps und Bandscheibenvorfall holte der "Chef" aus der Ursuppe, und weil man die schlecht
dem Stiefmütterchen anhängen kann, musste ein Trägerobjekt her – der Mensch,
eine anfangs eher simple Konstruktion.
Neben diesem Urtyp führt Pretterer an der Hand: Einen Neandertaler, dessen Brüder bei einem Bankertreffen ums Leben kamen, die Einsamkeit, einen unglücklichen Bauern, Mutter Natur, die geschunden am Tropf hängt, die Schutzengel Xaverl und Berthold, einen paradiesischen Stechapfel, Kain und die verführerische Frau Potifar.
Hervorragend Stimmlagen und Dialekte variierend, haucht er den Pappköpfen Leben
und Charakter ein, so dass man den Puppenspieler fast übersieht, bis er wieder in seine Rolle im Hausmeisterkittel schlüpft. Mal frech, mal zynisch kommentiert er die Schöpfung seines "Chefs" mit pointiertem Wortwitz und verpasst auch ihren "Bewahrern" die ein oder andere saftige Abreibung.
Inge Kutter
Tölzer Kurier 23.09.2003



Der Mensch als Virus – aber:

Das geht schon wieder vorbei

Wie der Kabarettist Josef Pretterer die Welt erklärt

Wer denkt, dass manche Fragen zur menschlichen Existenz besser unbeantwortet bleiben müssen, sollte die Finger von einem Abend mit Josef Pretterer lassen.
Der Kabarettist und Puppenspieler enthüllt in seinem Programm "Er-Schöpfung" die Hintergründe über alles, was es zwischen Himmel und Erde geben mag. Illusionen vermittelt der knautschige Künstler, der mit seinen lebensgroßen Puppen in immer wieder neue Rollen, schlüpft, dabei nicht. Eher kommen das Universum und Gott, die Menschwerdung und alles metaphysische ganz handfest daher – verwaltet und unter der Fuchtel vom Hausmeister des Universums, der seinem Chef immer wieder mit Rat und Tat, beruhigenden Worten und sächselnder Diensteifrigkeit zur Seite steht.
So war er es, der einst in der Ursuppe schöpfte: Zwei Millionen Zellen, Auge, Bein, Nase, Arme der Urmensch konnte "kucken, schnuppern, hüpfen und an der Liane hangeln". Doch Gott hatte mehr vor mit ihm und gab ihm Intelligenz und einen Gefährten. Und kaum war der Mensch zu zweit, war sie da die Einsamkeit". In das bis dahin recht freundliche Geplänkel des himmlischen Hauswartes mischt sich nun etwas Neues: Als häßliche Fratze tanzt die Puppe Einsamkeit dem Publikum vor der Nase herum und säuselt: "Ich werde Euch nie verlassen, ich warte draußen auf Euch." Und wenn nicht Pretterer selbst sich verwandelte, schob er seine Puppen vor, sprach für sie und machte sie so zu beinahe lebensechten, augenrollenden Alptraummonstern.
Oft genug konnte einem das Lachen im Hals stecken bleiben, aber dann lachte man doch, war fasziniert von der Schlichtheit seiner Gedanken, die er meisterhaft in etwas Geniales umwandelte. Mutter Natur wurde auf einer Bahre hereingeschoben, am Tropf hängend, ein elendes zusammengesunkenes, grünliches Häuflein, "inkontinent und ewig jammernd". Aber keine Sorge, beruhigt der sächselnde Hausmeister: Sie, "die Erde hat sich damals den Homo Sapiens eingefangen, aber wir wissen ja, es geht wieder vorbei". Wir, das sind er und Gott, sein Chef, der eigentlich im Hintergrund bleibt, sich höchstens Mal zu einer gewaschenen Standpauke an die Menschen, diese "lächerlichen Hormonknödel" herablässt.
Josef Pretterers Puppentheater für Erwachsene ist kein harmloser Spaß, eher auf schaurig-schöne Art und Weise ein Panoptikum der versammelten menschlichen Dummheiten, verpackt in Zynismus, betont mit verschiedenen Dialekten. Schön raffiniert und schön gut.
Ines Gokus